Montag, 5. November 2012

The Pixeleaters

Eine digitale Wiedergabestörung hat meine Sichtung von Michael Zens FALCONHEAD PART II: THE MANEATERS (der noch finsterer, vereinnahmender und endzeitlicher ist als der sieben Jahre früher entstandene erste Teil) um einige Sekunden Fellatio "zensiert" - psychedelische Pixelblumen, die aus dem Nichts ins Bild wuchern. Die vagen Nachfahren des VHS-Tracking. Nur: sie lassen sich nicht reproduzieren, schreiben sich nicht ein, zumindest aber kann man sie steuern, nicht ihr Erscheinungsbild beeinflussen. Schade eigentlich, sonst wäre es mir ein großer Reiz, einen ganzen Kurzfilm nur aus solchen Störungen zu montieren.

“Across the darkness, and the cold pond of mirrors, between riffs of narcicissm, I have passed… and I had denied all.”
Der erste Teil stieß seine Figuren in die Hölle hinab, der zweite entfesselt sie, die Hölle, über einer Erde im Halbdunkel. Es gibt kein Entrinnen mehr. Der Sex wird all seine Persönlichkeit verlieren, niemand kann den Boten dieser Macht aufhalten: den Falken. Er sucht einen Mann in seiner New Yorker Wohnung auf und erlegt ihm auf, den Spiegel zu finden. Doch es ist nicht mehr nur ein Spiegel, der eine Spiegel, der die Männer mit dem grausamen Schicksal des Narzissmus belegt. Spiegel überall. Spiegel selbst aus Fleisch.
“Since the cocks of these two young men are identical, they may find ecstasy in one another”. Spiegel in der Leere eines weißen Raumes, in dem Narziss im Liebesspiel mit sich selbst eine Rose zu Tode bringt. Spiegel auf der satt glänzenden Karosserie eines Motorrads, auf deren kalter Wölbung die Körper zu schmelzen scheinen wie Schnee. Im nebligen Tunnel des frigiden Lichts, dass diese Männer zu Gegenständen ohne eigene Textur degradiert, lacht immer noch der häßliche, alte Teufel mit seinem pockigen Gesicht, schadenfroh über diese Würmer, die sich im Erdenreich ihrer verkümmerten sexuellen Wahrnehmung krümmen, entstellter Herrscher eines Reichs, in dem die Verlorenen enden, die nicht mehr wissen, was es bedeutet, Körper zu sein und Körper zu spüren. Letztes, müdes Pathos klingt aus der raunenden Stimme, die sagt, was da getan wird, und dass du “the biggest fucking tool” hast. Und das in ihr die Säfte steigen. Sie muss es sagen, in dieses hallende Halbdunkel hinein, denn sie fühlt es nicht. Die wahre Hölle ist diese, in der man seiner letzten sinnlichen Reflexe beraubt wird. Wie Insekten ohne Fühler kriechen und rammeln die Verlassenen weiter auf diesem großen Lumpenhaufen. Die flüsternden und raunenden Stimmen beschwören immer weiter, mechanisch, unstillbar, ununterdrückbar, die irdische, unerreichbare Geilheit.
“BODYFREAK looking for young men into MIRROR TRIPS… send photo, adress, inquiry to…”, haben die Dämonen dieses Infernos ans Ende des Abspanns geschrieben. Der Alptraum reitet auf den Schwingen einer synthetischen Nacht über den Film hinaus.
Was THE DEVIL IN MISS JONES dem heterosexuellen “golden age of porn” ist, sollte dieser Film dem schwulen sein. Ultrapornokunst, if there ever was. Goodnight, sweet beauty.
 (Sehtagebucheintrag vom 05.11.2012)


















































Schrifttafel aus QUERELLE, Jean Genet, Rainer Werner Fassbinder, 1982


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