Dienstag, 25. Dezember 2012

Western, Weihnachten

Wie Billy the Kid (Peter Lee Lawrence) in dieser Szene aus Julio Buchs' überaus merkwürdigem Italo-/Hispanowestern EL HOMBRE QUE MATÓ A BILLY EL NIÑO (1967) fühle ich mich manchmal um Weihnachten herum. Stillstehend, den Sturm, den alle anderen rennend und verwischend entfachen nur leicht spürend. Aber nur für Momente. Denn nur Sekunden später reißt er einen vielleicht schon mit, fort, hinein in die wilde Schießerei namens Weihnachten.




Dieses dreidimensionale Bild fand ich, rein zufällig, gerade heute wieder. Den Film sah ich vor einem Jahr, leider in einer spanischen Fernsehfassung, die das ursprüngliche Scope-Bild auf 1:1,85 beschnitt. Er war verstrahlt und seltsam verquollen (in meinem Sehtagebuch 2011 habe ich seinerzeit auch etwas dazu geschrieben). Brillant gescheitert vielleicht. So sehr, dass man den verfehlten Ambitionen möglicherweise nicht nachtrauern sollte. Wie er sich seinem Protagonisten annäherte, der so gar keine Figur werden durfte, damit der Film sich, dabei ungeheuerlicherweise sehr nüchtern tuend, selbst mythisch an ihm aufladen konnte. Und wie  - endlich, denn auf solcherlei Implikationen verzichtet der Italowestern, dem Motiv der Männerfreundschaft schon grundsätzlich abtrünnig sowie bereits "aufgeklärter" und sich von verschiedenen Blickwinkeln aus dieser Möglichkeiten bewusster und sie daher öfter treffsicherer vermeidend, zumeist - sich der hier überaus trübe Pat Garrett (Fausto Tozzi) an Billy the Kid auflädt:

 
Als er sich schlussendlich an Billy entlädt, beweist der Film, wie widerspenstig er ist, denn er ringt sich dazu durch, diesen Moment, der den Film beschließt, stumpf und ausdruckslos zu belassen. Der Verzicht hat einen traurigen Sieg errungen.



Und dann das Mädchen, dass sich hier, oben, über Billy wirft. Man sieht in diesen Bildern sein Gesicht nicht. Eine extraterrestrische Erscheinung, die einen Hauch artifizieller Androgynität um sich trägt. Noch eigenartiger ist das, in diesem, wie die meisten italienischen und spanischen Western, so erdigen, holzigen und tönernen Film.


In meinem Sehtagebuch 2011 schrieb ich (leider nicht so, wie es der Film verdient hätte): "Man spürt, dass das kein kleiner, kurzer B-Western hätte werden sollen, sondern ein großes zweieinhalb Stunden-Epos, nüchtern und doch “klein”, also schlicht, erzählt, aber auch mit dem Hauch einer großen Tragödie um den Teufelskreis der geraubten und sich stets erfolglos selbst reproduzierenden Unschuld. Buchs hat versucht, all das trotzdem in diesen kleinen Film zu pressen und ausnahmsweise – denn wie oft passiert das schon? – gereicht ihm das dank der beinahe beängstigend konzentrierten Präzision seiner glasklaren und unauffällig formalpsychologischen mise-en-scène nicht zum Nachteil sondern lässt den Film seinem äußerlichen Korsett entfliehen und den gedrungen manischen Peter Lee Lawrence tatsächlich zum aus dem Paradies vertriebenen Engel transformieren. Die Sequenz, in der er zu Beginn sein Bad in einem Fluss unterbricht und seiner unsittlich bedrängten Mutter zur Hilfe eilt, gleicht einem rabiat erzwungenen Initiationsritual: Halbnackt steht er über der Leiche des Angreifers, makellos, schön und beschmutzt. Und genau so schlägt er kurz darauf bei Pat Garrett auf – zumindest für einen kurzen Augenblick blitzt hier die Überlegung einer homoerotischen Komponente im Verhältnis der beiden auf. In Sam Peckinpahs Macho-Weeper PAT GARRETT AND BILLY THE KID hat das selbstverständlich nicht stattgefunden. Was vielleicht nicht völlig unsinnig ist, sind diese beiden Figuren doch in Buchs’ Film trotz ihrer äußeren Idealisierung im Grunde noch leerer und dringlicher in ihrer panischen Selbstausfüllung, die in den Gänsehaut induzierenden letzten 15 Minuten des Films die Leinwand zu sprengen droht. Ein Film, der in vielen Momenten die Qualitäten eines späten Samuel Fuller besitzt."
Zu diesem alten Kommentar passen wohl diese Bilder: 



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